Carrie Schreiner: „Als Frau im Motorsport muss man sich durchsetzen“

Carrie Schreiner gehört zu den aktuell erfolgreichsten Frauen im deutschen Motorsport. In ihrer erst relativ kurzen Karriere im GT-Sport konnte sie bereits viele Erfolge einfahren. Auch in ihren Anfängen im Kartsport war sie das bisher erfolgreichste Mädchen. Welche Erfahrungen die 21-jährige Saarländerin, die seit vergangenem Jahr auch Patin des DSK Women’s Club ist, als Frau im Motorsport gemacht hat, welche Ratschläge sie jungen Mädchen gibt und welche Ziele sie hat, darüber spricht sie in diesem Interview.

Wie bist du zum Motorsport gekommen?

Das war durch meinen Vater, der früher selbst Rennen auf Amateurniveau gefahren ist. Meine Kindheit habe ich im Prinzip auf der Rennstrecke verbracht. Mit 10 Jahren durfte ich dann zum ersten Mal selber auf einer Kartbahn fahren. Das hat von Anfang an gut geklappt und mir viel Spaß gemacht. So bekam ich kurze Zeit später mein eigenes Rennkart. Ich fuhr dann sechs Jahre Kartrennen, zuerst regional, dann überregional und schließlich auch im Ausland. Als die ersten Erfolge kamen, wollte ich sehen, wie weit ich im Rennsport kommen kann, ob ich es bis zum Profi schaffe. Also machte ich 2015, da war ich gerade 16, meine ersten Schritte in der ADAC Formel 4. Diese zwei Jahre waren eine tolle Zeit. Zu meinen damaligen Konkurrenten zählten z.B. Mick Schumacher und einige heutige Formel 1 Fahrer. Ich habe viel gelernt, aber auch gesehen, dass der Formelsport nicht meine Welt war, die Formel 1 nicht mein Ziel. Ich wollte lieber Sportwagen fahren. 2017 bekam ich von Lamborghini das Angebot, als ihre Juniorfahrerin die Lamborghini Asia Trofeo zu bestreiten. Ich bin dann ein Jahr in Asien gefahren, bevor ich 2018 zur GT3 kam.

Was war dein bisher größter Erfolg?

Im Kartsport war mein größter Erfolg der Sieg des ADAC Kart Masters 2012, das ist Deutschlands größte Kartserie. Ich glaube, ich bin bis heute immer noch die einzige Frau, die diese Serie gewonnen hat. Mein bisher erfolgreichstes Autojahr war 2018. Mit meinen Kollegen in der Lamborghini Super Trofeo Middle East konnte ich in der Pro-Am Klasse gewinnen. Auch bei einem Porsche Super Sports Cup Rennen am Red Bull Ring habe ich gewonnen. Das war ein Gaststart, das Starterfeld sehr groß, und ich bin gleich beim ersten Mal auf das höchste Treppchen auf dem Podium gefahren! Auch bei der GTC, einer deutschen GT3-Serie mit einem Pro-Am Feld, habe ich schon gewonnen. Aber mein bisher größter Erfolg in der GT war mein Podium bei den ADAC GT Masters letztes Jahr am Hockenheimring, zusammen mit Dennis Marschall.

Was ist deine Lieblingsstrecke und auf welcher Strecke würdest du gerne mal fahren?

Ganz klassisch steht da die Nordschleife am Nürburgring ganz oben. Auch Imola spricht mich an, nicht zuletzt wegen seiner Geschichte, und Dubai ist eine ganz tolle Strecke. Mit Hockenheim verbinde ich meine bisher schönsten Rennsport-Erinnerungen. Gerne fahren würde ich mal auf den Strecken von Le Mans und Daytona.

Die Saison 2020 hat gerade erst begonnen. Wie hast du die rennfreie Zeit verbracht?

Hauptsächlich mit Fitness-Training und Simulator-Fahren. Im Winter und Frühjahr lag der Schwerpunkt auf der Fitness, dann kam nach und nach der Simulator hinzu. Ich bin allerdings kein Fan des Sim-Racings, also habe ich es schnell wieder gelassen. Ich ziehe meinen Hut vor den professionellen Fahrern. Es ist unglaublich, wie schnell die sind. Aber die virtuelle und reale Welt sind zwei verschiedene Dinge. Wenn man in einem richtigen Auto sitzt, kommt, abgesehen vom Risiko eines Unfalls, vor allem noch die körperliche Anstrengung hinzu, die Hitze im Auto, die Fliehkräfte.

Wie bist du mit dem Start in die Saison zufrieden? Wie wirken sich die Hygienevorschriften und Zuschauerbeschränkungen auf ein Rennwochenende aus?

Natürlich ist diese Saison alles anders. Die Fans fehlen und die Stimmung ist manchmal auch etwas gedrückt, da viele zum Beispiel nicht wissen, wie es längerfristig weitergeht. Das kann ich gut nachvollziehen, aber ich persönlich freue mich einfach nur sehr, dass es endlich weitergeht. Ich bin in Topform, habe mich im Winter so gut vorbereitet wie noch nie. Das hilft mir bei meinem diesjährigen Programm, das bisher aus der ADAC GT Masters, einigen Rennen in der NLS mit dem Girls Only Team sowie dem 24h-Rennen am Nürburgring besteht. Der Kalender ist sehr kompakt, das wird nicht immer einfach sein, aber ich freue mich sehr drauf.

Welche Erfahrungen hast du als Frau im Motorsport gemacht?

Ich bin ja seit meiner Kindheit im Motorsport unterwegs, deshalb fallen mir eventuelle Unterschiede gar nicht so auf. Es ist wie überall im Leben. Wenn du anfängst, dich keiner kennt, dann sind da oft die typischen Vorurteile à la ‚Frau am Steuer‘. Aber wenn man sich bewiesen hat, ist auch der Respekt da. Man muss selbst wissen, warum man Rennsport betreibt. Was die anderen denken, ist letztlich nicht wichtig.

In der NLS fährst du im Girls Only Team, wo alle Mitglieder Frauen sind. Was unterscheidet ein Frauenteam von einem klassischen Rennteam, wo Frauen ja eher in der Unterzahl sind? Gibt es überhaupt Unterschiede?

Das Girls Only Team by WS Racing ist ein sehr spannendes Projekt. Am Anfang wusste ich natürlich nicht, was mich erwartet. Wenn viele Frauen zusammen sind, gibt es ja auch schon mal Probleme. Aber das ist bei uns überhaupt nicht so. Wir unterstützen uns gegenseitig, wollen gemeinsam die bestmögliche Leistung bringen. Es herrscht eine tolle Atmosphäre. Mein anderes Team, Rutronik Racing, wo ich bereits im dritten Jahr fahre, ist auch toll und gerade im letzten Jahr sind wir sehr zusammengewachsen. Beide Teams haben ihre Vor- und Nachteile. Aber ich fahre sehr gerne bei beiden.

Was würdest du Frauen raten, die im Motorsport Fuß fassen möchten?

Sie sollten auf jeden Fall mit dem Kartsport anfangen. Da lernt man so viel, auch zum Beispiel Zweikampf und wie man sich gegen die Jungs durchsetzt. Das ist nicht immer leicht, aber es ist wichtig, sich nicht beirren zu lassen, seinen Weg zu gehen und einfach immer weiterzumachen. Dies sind Eigenschaften, die im Sport generell sehr wichtig sind.

Und wie sieht es mit Sponsoren aus? Ist es hier ein Vorteil, eine Frau zu sein?

Sponsoren zu finden, ist generell schwer, egal ob Mann oder Frau. Aber wenn man als Frau im Motorsport gut ist, dann kann das schon mal den Ausschlag geben. Zudem ist es wichtig, man selbst zu sein, authentisch zu bleiben. So kommt man am weitesten.

Du bist Patin des DSK Women´s Club. Was hat dich zu dieser Entscheidung bewogen?

Ich finde es eine gute Sache, wenn sich Frauen im Motorsport gegenseitig unterstützen. Die Gelegenheit gibt es nicht oft, deshalb ist es toll, dass es eine Plattform gibt, wo es gefördert wird, dass Frauen zusammen stark sein können.

Welche nächsten Motorsportziele hast du?

Mein Traum ist es, irgendwann für ein Werksteam zu fahren und von meinem Sport leben zu können. Welche Serie oder welches Auto, da bin ich offen. Ich könnte mir auch vorstellen, in den USA oder in Asien zu fahren. Aber mein Programm dieses Jahr ist sehr anspruchsvoll und ich bin sehr damit zufrieden. Für dieses Jahr ist mein Ziel gute Erfolge einzufahren und weiterhin meinen Weg zu gehen.