Vincent Kolb hat sein Ziel klar vor Augen

Alter schützt nicht vor Erfahrung. Gerade einmal 24 Jahre jung, verfügt Vincent Kolb bereits über die Praxis aus mehr als 40 Renneinsätzen in der VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring. Aktuell pilotiert der BWL-Student aus Frankfurt am Main zusammen mit Frank Stippler einen Audi R8 LMS im Team Phoenix-Racing. Und er will noch höher hinaus. 

Mit dem Motorsportvirus wurde Kolb früh infiziert. Im Alter von fünf Jahren besuchte er zusammen mit seinem Vater Alexander, der seit dem Jahr 2000 ebenfalls regelmäßig in der VLN an den Start geht, die Rennen. „Für mich waren das tolle Wochenenden, wenn ich im Rennwagen auf seinem Schoß sitzen durfte“, sagt Kolb. „Von diesem Moment an hat sich die Faszination ständig weiterentwickelt.“

Auf der Playstation drehte Kolb im Spiel Gran Turismo unzählige Runden auf der Nordschleife. Mit 14 Jahren ging er dann erstmals auf die Strecke. In der Nürburgring Driving Academy absolvierte Kolb einen Formel-Lehrgang auf dem Grand-Prix-Kurs unter der Leitung von Chefinstruktor Andy Gülden. Mit 16 Jahren folgten dann erste Einsätze bei Trackdays und Rennveranstaltungen mit einem BMW E36. „Ich war super happy, als ich dann genau an meinem 18. Geburtstag ein Rennen in Hockenheim fuhr“, erinnert sich Kolb. „Denn nun war ich alt genug, um endlich auch auf der Nordschleife bei der VLN richtig Gas geben zu können.“

Am 27. September 2013 war es soweit. Mit einem Toyota GT86 feierte Kolb sein VLN-Debüt. In der Cup-Klasse fuhr er zusammen mit Theo Kleen und Thomas Koll auf Platz drei. „Ich kam mit dem GT86 perfekt zurecht, schließlich bewegte ich im Straßenverkehr einen baugleichen Subaru BRZ“, sagt Kolb. 2015 folgte der Wechsel in einen Porsche 911 Cup. Zusammen mit seinem Vater und seinem älteren Bruder Julius-Ferdinand wurde der Familientraum wahr – ein gemeinsamer Einsatz beim 24h-Rennen. „Der Umstieg von seriennahen Fahrzeugen zum Cup-Porsche war nicht ohne, hat aber auch viel Spaß gemacht“, so Kolb. „Ich war ja noch absoluter Laie und habe so gerne die Fahrhilfen in den seriennahen Fahrzeugen in Anspruch genommen. Der Cup-Porsche hatte dann kein ABS und ESP. Ich saß jetzt in einem echten Rennwagen und hatte nach jedem Rennen ein breites Grinsen auf den Lippen.“

Um noch mehr Fahrpraxis zu erlangen und verschiedene Fahrzeugkonzepte zu „erfahren“, absolvierte Kolb 2016 und 2017 teil Doppelstarts mit dem Elfer und einem Aston Martin Vantage GT8. „Die Soundwertung gewinnt auf jeden Fall der Aston“, grinst Kolb. „Das ist einfach brutal, wie der klingt, wenn man aufs Gas tritt. Vom Fahrverhalten her ist das im Vergleich zum Porsche eine komplett andere Welt – Front- vs. Heckmotor. Das war eine wichtige Lernphase.“ Überhaupt scheut Kolb keine neuen Erfahrungen, einen einmaligen Einsatz im Mercedes-AMG GT4 genauso wenig wie die britischen Sportwagen seines Vaters, mit denen Alexander Kolb im historischen Motorsport Erfolge feiert. „Ich fahre hin und wieder einen Austin-Healey 3000 oder einen Shelby Cobra 289 – fantastische Rennfahrzeuge, die überhaupt nicht mit den modernen Wagen von heute vergleichbar sind“, sagt Kolb. „Das ist ein viel schmutzigeres Fahren. Bei der Cobra ist zum Beispiel der Bremspunkt in jeder Runde ein anderer.“

Die Liebe zu historischen Fahrzeugen teilt Kolb mit seinem aktuellen Teamgefährten Frank Stippler. Zusammen fahren die beiden in der VLN im Audi R8 LMS von Phoenix Racing. „Ich habe mich nach unterschiedlichen GT3-Fahrzeugen umgesehen, Phoenix wurde mir von vielen Leuten empfohlen“, so Kolb. „Und ich habe schnell gemerkt, dass ich hier an der richtigen Adresse bin. Das Team weiß einfach, wie es geht.“ Sein GT3-Debüt beendete Kolb 2017 auf Anhieb auf Platz zwei. „Das war wie ein Sechser im Lotto“, sagt Kolb. „Damit hatte ich nicht gerechnet. Es hat in diesem Rennen einfach alles gepasst.“ Weitere Top-10-Platzierungen folgten und ähnlich positiv verlief auch der vierte VLN-Lauf diesen Jahres. Das Duo verfehlte auf Platz vier das Podium nur knapp. Ein wichtiger Faktor für den Erfolg ist der erfahrene Sportwagenpilot Stippler. „Frank hat einfach absolutes Know-how“, sagt Kolb. „Die Zusammenarbeit mit ihm ist extrem spannend. Der große Vorteil ist, dass vom Alter her ein paar Jahre zwischen uns liegen. Es baut sich so speziell für mich kein interner Konkurrenzkampf auf, den ich vielleicht mit einem gleichaltrigen Fahrer hätte. Ich weiß, dass der Frank einfach unglaublich stark fährt. Das akzeptiere ich und messe mich daran.“

Seine Ziele hat Kolb klar vor Augen: Er will über kurz oder lang VLN-Rennen gewinnen. „Hauptsächlich konzentriere ich mich aber im Moment auf meine Ausbildung. Ich gehe im September nach London, um dort BWL zu studieren“, zeigt sich Kolb auch im Privatleben zielstrebig. „Daneben will ich mich natürlich auch als Rennfahrer weiterentwickeln. Die VLN ist dafür die beste Plattform. Es gibt hier so viele ambitionierte Amateurpiloten, die den Profi-Rennfahrern ein ums andere Mal zeigen, wo der Hammer hängt. Das finde ich sehr beeindruckend.“

Für das ROWE 6 Stunden ADAC Ruhr-Pokal-Rennen haben sich Kolb und Stippler eine Menge vorgenommen. „Wir haben uns in der Woche vor dem Rennen intensiv vorbereitet und einige Dinge am Fahrzeug verändert. Ich glaube, dass wir ein gutes Ergebnis erzielen können“, ist Kolb zuversichtlich.