Jeder lobt, was Nürburgring erprobt. Der bekannte Werbeslogan, der noch heute im Historischen Fahrerlager zu finden ist, hat in all den Jahren nicht an Bedeutung verloren. Kein Wunder also, das nicht nur Fahrzeuge für die Straße den Härtetest Nürburgring Nordschleife bestehen müssen bevor sie in Serie gehen, sondern auch Rennfahrzeuge dem anspruchsvollen Asphaltband in der Eifel standhalten müssen, bevor sie an die Einsatzteams ausgeliefert werden. Beim achten VLN-Lauf muss sich der neue Mercedes-AMG GT3 bei seiner Rennpremiere erstmals auf der Nordschleife bewähren.
Das Modell ist die konsequente Weiterentwicklung des zuletzt viermal in Folge siegreichen GT3 aus Affalterbach. Neben einer neuen Optik bietet es zahlreiche technische Optimierungen, welche die bei Fahrern und Teams beliebten Eigenschaften des aktuellen GT3 auf ein neues Niveau heben. Zugleich tragen sie dazu bei, die Betriebskosten weiter zu senken und das Motorsport-Engagement der Customer Racing Teams noch effektiver und wirtschaftlicher zu gestalten. Mercedes-AMG setzt eine gute Tradition fort und gibt den Debütanten bereits beim ersten offiziellen Auftritt in Kundenhand. Beim 51. ADAC Barbarossapreis zeichnet Black Falcon für den Einsatz verantwortlich, zwei Wochen später kommt dann beim VLN-Finale HTP zum Zug. VLN.de hat mit Stefan Wendl, Leiter Mercedes-AMG Customer Racing, vor der Premiere gesprochen.
Wie lange dauerte die Entwicklung des neuen Mercedes-AMG GT3?
Wir haben mit dem neuen Auto Anfang 2017 angefangen und schließen die Entwicklung in den nächsten Wochen ab, bevor die Autos dann in Produktion gehen.
Wie sah euer Pflichtenheft zu Beginn der Entwicklung aus?
Wir sammeln im Tagesgeschäft an den Rennstrecken auf der ganzen Welt das Feedback unserer Kunden. Die gewonnenen Erkenntnisse werden in einer Datenbank gespeichert und priorisiert, so dass sie jederzeit abrufbar sind, sobald wir einen Nachfolger oder ein anderes Fahrzeugprojekt beginnen. Der GT4 zum Beispiel hat auch von den Erfahrungen der GT3-Kunden profitiert. Die jeweiligen Aufgaben werden dann individuell bewertet und es wird abgewogen, was sinnvoll und umsetzbar ist. Unser Ziel war ein Upgrade-Paket zu entwickeln, um das Auto aufzufrischen, damit unsere Kunden weitere drei bis vier Jahre im Wettbewerb konkurrenzfähig sein können. Und wir wollten dies natürlich so preisgünstig wie möglich anbieten.
Also habt ihr nicht mit einem weißen Blatt Papier angefangen?
Man muss nicht jedes Mal das Rad neu erfinden. Auch beim Wechsel vom SLS auf das aktuelle Modell haben wir auf der alten Basis aufgebaut. Wir haben uns die Dinge angeschaut, an die wir geglaubt haben, die einen Kundenvorteil bringen und zur Marke passen und die Performance und Standfestigkeit bringen. Die haben wir weitestgehend belassen und an den logischen Punkten weiterentwickelt, um das Vorhandene in das neue Modell zu konvertieren. Nur so kann man etwas aufbauen, was von Beginn an zuverlässig funktioniert. Zudem halten wir so die Entwicklungskosten im effizienten Bereich.
Was stand bei der aktuellen Neuentwicklung im Vordergrund? Die Verbesserung der Fahrbarkeit, die Leistung oder eine Mischung aus beidem?
Das war eine wichtige Frage, die wir lange intern beraten haben. Unsere erfahrenen Teams haben wir mit eingebunden: Was wird bei einem Auto, zu dessen Stärken die Fahrbarkeit und Haltbarkeit zählen, an Verbesserungen gebraucht? Wie kann man die Leistung weiter verbessern, ohne dass dann gleich die BoP-Keule kommt? Das muss man alles beachten. Die BoPs sind weltweit unterschiedlich – SRO-Serien, Nordschleife, Super GT, IMSA und GT Open. Bei den GT Open werden die Fahrzeuge beispielsweise stärker eingestuft als bei der SRO, damit das gesamte Feld schneller ist. Dieses Potenzial muss man im Auto haben, ohne dabei die guten Attribute zu verlieren. Wir wollen vor allem in Sachen Sicherheit, Fahrbarkeit und Running Costs Benchmark sein.
Thema Fahrbarkeit: Wie schwierig ist die Grätsche, ein Auto zu entwickeln, in dem sich Gentlemen-Fahrer wohlfühlen und sich Profi-Racer nicht langweilen?
Das ist schwierig. Da muss man früh im Konzeptbereich den Grundstein legen, dass die Fahrbarkeit gegeben ist. Das ist ein Zusammenspiel aus Gewichts-Balance, mechanischer Abstimmung der Fahrwerks-Kinematik bis hin zur Aerodynamik in den höheren Geschwindigkeitsbereichen – wie viel Downforce im Verhältnis zum Luftwiderstand bei welcher Balance Vorder- und Hinterachse. Das sind sehr, sehr komplexe Themen. Vor allem, weil das auch mit den unterschiedlichsten Reifen funktionieren muss. Und es bedarf einer Menge Tests, um das darzustellen und auch zu prüfen, ob es funktioniert.
Worin liegt für euch der Vorteil, frühzeitig Kundenteams in die Entwicklung einzubinden?
Das ist megaspannend. Wir erhalten viel Feedback – und natürlich bekommen wir auch hin und wieder Kritik. Genau das ist es aber, was wir brauchen – rechtzeitig. Denn wir wollen nicht mit dem Fahrzeug auf den Markt kommen und dann erst die Kritik der Kunden hören. Das letzte Feintuning machen wir mit ihnen gemeinsam. Wir haben auch vorher schon die Teams mit im Boot und veranstalten über das gesamte Entwicklungsprojekt immer wieder Workshops mit Cheftechnikern. Das hat Tradition. Schon der SLS wurde 2010 bei seiner Rennpremiere auf der Nordschleife von Black Falcon betreut. Das hat sich bewährt. Es ist transparent und hilft uns. Mittlerweile versuchen auch andere Hersteller diesen Weg zu gehen. Aber es ist kein leichter, weil man sich auch Kritik gefallen lassen muss.
Im Rahmen des 24h-Rennens habt ihr den neuen Mercedes-AMG GT3 vorgestellt. Jetzt kommt der erste Renneinsatz. Wie viele Testkilometer lagen dazwischen?
Alle unserer Vertragsfahrer sind damit bereits gefahren. Beim 24h Rennen in Portimão und beim 35-Stunden-Test auf dem Slovakia-Ring haben wir auch Kunden und Gentlemen-Fahrer eingebunden. Da ist zum Beispiel Patrick Assenheimer gefahren. In Portimão waren Charles Putman und Hubert Haupt im Line-up. Wir haben die Test-Kilometer auf zwei Fahrzeuge verteilt. Ein Testauto, das von vorneherein als Prototyp aufgebaut wurde, und jetzt der so genannte „Job #1“. Das ist das erste Fahrzeug aus seriennaher Fertigung, das dann am Slovakia-Ring sein Debüt gefeiert hat und 35 Stunden durchgefahren ist. Das entspricht mehr als 6.000 Kilometern bei der Durchschnittsgeschwindigkeit, die auf der Strecke erzielt wird. Das ist unsere Absicherung, dass das Paket auch 24 Stunden hält. Über beide Autos verteilt haben wir über 20.000 Kilometer abgespult – bis Ende 2019.
Inwieweit habt ihr jetzt noch Möglichkeiten, bis zum Verkaufsstart einzugreifen. Was kann noch geändert werden?
Wir hoffen natürlich, dass keine großen Änderungen mehr nötig sind. Aber die Möglichkeit besteht theoretisch immer. Wenn sich herausstellt, dass die FIA Anpassungen fordert, wäre das ein Worst-Case-Szenario. Aber genau darauf müssen wir dann reagieren. Die FIA hat den Homologationsprozess um zirka drei Monate vorgezogen. Wir haben also schon Anfang Mai erste Daten und CAD-Zeichnungen mit der FIA geteilt und waren schon im Windkanal. Jetzt gerade wird die neue Aerodynamik bei Technical Inspection abgenommen. Jedes neue Teil wird vermessen, gescannt und bei der FIA in einer Datenbank hinterlegt. Der Motor wird komplett zerlegt und geprüft, ob alle Maßangaben der Homologation auch dem des Fahrzeugs entsprechen. Das ist ein neuer Prozess, der ist viel detaillierter als noch vor vier Jahren. Der Hintergrund des Ganzen ist, dass wir Anfang des Jahres schon Dubai und Daytona mit einer fertigen Homologation fahren können. Das ist erstmal positiv, es könnte aber immer noch sein, dass die FIA mit einem Wert nicht einverstanden ist. Dann müssten wir handeln.
Für die VLN-Familie geht das Motorsportjahr zu Ende. Bei euch geht dann der Stress erst richtig los, oder? Wie viele Autos müssen über den Winter gebaut werden?
Für uns und die Teams endet die Saison eigentlich nicht mehr. Im Winter gibt es hervorragende Angebote im Kundensport, noch interessante Rennen zu fahren. Da hat sich Dubai etabliert. Kundenteams wie Black Falcon und GetSpeed haben tolle Angebote, im Winter mal eine Woche einfach nur GT4 oder GT3 zu fahren. Wir haben zusammen mit unserem Entwicklungspartner HWA alle Hände voll zu tun, die Fahrzeuge rechtzeitig zu bauen und auch die Teilebeschaffung sicher zu stellen. Das betrifft sowohl die Upgrade-Kits als auch Produktionsteile und Spareparts für die Märkte auf der ganzen Welt. Dubai, Daytona, Bathurst – dorthin müssen ja nicht nur die Upgrade-Kits sondern auch die Ersatzteile geliefert werden. Das ist eine Herausforderung für das ganze Team. Je früher wir das Go der FIA bekommen, umso eher können wir die letzten kritischen Teile bestellen.