Ein Norweger, der auf einer Bohrinsel in der Nordsee arbeitet und in der Eifel Autorennen fährt. Klingt komisch, ist aber so. Seit 2017 ist Inge Hansesaetre in der VLN Langstreckenmeisterschaft am Start. Zusammen mit Moritz Oberheim und seinem Landsmann Sindre Setsaas wird er sich auch bei VLN6 in der Cup5-Klasse mit dem #695 BMW M240i Racing Cup des Teams Avia Sorg Rennsport wieder hinters Lenkrad setzen und über die legendäre Nordschleife rasen.
„Ich arbeite für ConocoPhillips auf einer Ölplattform im Ekofisk-Feld und überwache den Prozess vom Bohrloch bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir Öl, Gas und Wasser trennen. Das Öl wird dann über eine Pipeline nach Teesside in Großbritannien, das Gas über eine Pipeline nach Emden in Deutschland geschickt. Das Wasser wird anschließend gereinigt, bevor wir es wieder in den Ozean zurückführen“, erklärt der 32-Jährige. ConocoPhilllips ist der drittgrößte US-Ölkonzern und Ekofisk ist ein Öl- und Gasfeld auf dem Kontinentalschelf Norwegens. Mit geschätzten Reserven von 3,8 Milliarden Barrel ist es das zweitgrößte Ölfeld der Nordsee.
Die Geschichte des Mannes aus Aremark kann man sich eigentlich gar nicht ausdenken. Geboren in einem Land, in dem der Langlauf sehr populär ist, fand Hansesaetre durch den ehemaligen Rallye-Weltmeister Petter Solberg zu seiner Passion: „Wir Norweger lieben Langlauf, aber der Rallyesport war in Norwegen auch schon immer sehr beliebt. Besonders zu der Zeit, als Petter Solberg im Jahr 2003 WRC-Champion wurde. Ich habe das Rallyefahren als Fan verfolgt, es aber nie selber ausprobiert. Ich komme nicht aus einer Motorsport-Familie und war bis zu meinem 23. Lebensjahr noch nie auf einer Rennstrecke. Dann bin ich mit einem Freund zu einem Trackday gefahren und ich habe es sofort sehr geliebt. Innerhalb weniger Monate baute ich mir mein eigenes Rennauto auf und ich nahm an der norwegischen GT-Meisterschaft teil.“
Der norwegische Formel-1-Kommentator Atle Gulbrandsen zeichnete verantwortlich dafür, dass der schnelle Wikinger in der grünen Hölle landete. Gulbrandsen, der selber für Møller Bil Motorsport bei der VLN in der TCR-Klasse fährt, sah einige Onboard-Videos der Rennen von Hansesaetre in der GT-Meisterschaft. „Er ist sehr bekannt in Norwegen und er war von meinen Fahrkünsten beeindruckt. Als Nürburgring-Kenner schlug er mir die VLN Langstreckenmeisterschaft als passende internationale Serie vor. Zudem ist der Nürburgring ein sehr beliebtes Reiseziel für Autoenthusiasten aus Norwegen und Skandinavien im allgemeinen. Gesagt, getan. Ich fuhr 2017 drei VLN-Rennen, 2018 sechs Rennen und dieses Jahr absolviere ich meine erste volle VLN-Saison.“
Und so reist Hansesaetre nun regelmäßig mit dem Flieger von Oslo nach Frankfurt an, dort nimmt er einen Mietwagen bis zum Nürburgring. Nach zirka sieben Stunden ist er am Zielort angelangt. Den Kontakt zu Sorg Rennsport stellte der langjährige VLN-Pilot Oskar Sandberg her. „Als ich mich entschied, die VLN auszuprobieren, rief ich ihn an. Seit meinem ersten Rennen mit Sorg war ich beeindruckt von deren Arbeitsweise, dem Fachwissen und dem großen Engagement.“
Mit Moritz Oberheim hat Hansesaetre in der Cup5 einen am Nürburgring erfahrenen Teamkollegen, der in der VLN schon einige Erfolge vorweisen kann: „Die Cup5 ist eine Klasse mit starkem Wettbewerb und guten Autos. Hier kannst du dein Talent unter Beweis stellen, auch wenn du kein großes Budget zur Verfügung hast. Moritz ist ein wirklich guter Fahrer, aber auch ein wirklich netter Mensch und Teamkollege. Besonders von seinen Erfahrungen auf der Strecke im Regen und unter schwierigen Bedingungen habe ich sehr profitieren können.“
Wenn Hansesaetre zu Hause ist, genießt er die Ruhe und angenehme Atmosphäre mit seiner Frau und dem Kind auf dem eigenen Bauernhof in Norwegen. Aber, wenn die Nordschleife neun Mal im Jahr ruft, geht sein Herz erst so richtig auf. Dann kribbelt es direkt bei ihm: „An dieser Strecke begeistert mich so ziemlich alles. Ständig ändert sich die Höhe und auch die Schräglage der Ecken. Die Leitplanken sind sehr nah an der Strecke, dadurch bekommst du ein sehr gutes Gefühl für die Geschwindigkeit. Auch die ständig wechselnden Wetterbedingungen und die Länge der Strecke finde ich faszinierend. Wie könnte man sie nicht mögen?“