Die Helden aus der zweiten Reihe

Sie sind die heimlichen Helden der Nordschleife. Die Davids der VLN. Die Nebendarsteller der Serie. Sie stehen im Schatten des Rampenlichts. Und dennoch hätte jeder von ihnen einen Motorsport-Oscar verdient. Die Underdogs sind das Lebenselixier der Langstreckenmeisterschaft. Ohne die
Idealisten aus der zweiten Reihe liefe nichts. 

racing news porträtiert die fünf Starter bei VLN6 aus der V3. Die Fahrzeuge in dieser Klasse haben einen Hubraum von 1.800 bis 2.000 ccm. Die maximale Leistung beträgt 140 KW/190 PS und die Autos haben ein Mindestgewicht von 1.130 kg. Neben den Protagonisten sind Renault Clio, Ford Focus, Mazda MX 5 und Subaru Z weitere mögliche Kandidaten.

Der Routinier: #525 Mathol Racing ‚Montana’ und Roberto Falcon, Toyota GT86, Klasse 1/5, Gesamt: 94.

Am Ende lag ‚Montana’ zusammen mit Roberto Falcon 2:25,071 Minuten vor der Konkurrenz. Souverän gewann das schnelle Duo die Klasse V3 und fuhr in 10:09,655 Minuten (143,833 km/h im Schnitt) auch die schnellste Runde. „Zusammen mit meinem erfahrenen und super schnellen argentinischen Partner bereiten wir den Klassengegnern einiges Kopfzerbrechen“, so ‚Montana’. Der Mann aus Mülheim, der unter Pseudonym startet, hat ebenfalls eine geballte Ladung Erfahrung im Motorsport und in der VLN. Egal ob Cup5, Cup4, V6, Porsche Cayman S, BMW M235i Racing Cup oder wie jüngst ein Toyota GT86. Er hat schon vieles gefahren und einiges erlebt. „Ich bin schon vor 20 Jahren gefahren, damals auch schnellere Autos. Jetzt bin ich nach einer langen beruflich und familiär bedingten Pause wieder eingestiegen“, so ‚Montana’, der sein japanisches Fahrzeug für diese Klasse als ideal ansieht. „Der Toyota GT86 ist mein Lieblingsauto in der V3. Er hat als einziger Heckantrieb, was mir aufgrund meiner Erfahrung auf BMW und Porsche natürlich entgegenkommt. Mit dem kleinen Tank müssen wir zwar einmal mehr als die Konkurrenz tanken. Dafür haben wir aber weniger Benzin an Bord. Und mit diesem leichteren Fahrzeug können wir uns gegen die BMW 325 besser durchsetzen.“

Betreut und professionell vorbereitet wird das Duo mitsamt Fahrzeug von Mathol Racing. Das Team organisiert die Mechaniker und das Catering für den Renneinsatz und hält den Piloten den Rücken frei, damit sich diese voll auf ihren Einsatz konzentrieren können. Vor allem aber wird der große Erfahrungsschatz mittels Coaching an die Fahrer weitergegeben. „Man kann dieses Wissen selber kaum aufbauen, indem man nur aus eigenen Siegen und Fehlern lernt. Denn die vielen dann erlebten Fehler, beziehungsweise Crashs, könnte man auch als Millionär kaum verkraften. Auf jeden Fall wird man im Team viel schneller siegfähig“, betont ‚Montana’.

Dass der routinierte Pilot nun mit Roberto Falcon in der V3 gelandet ist, hat ebenfalls plausible Gründe. „Günstiger geht es einfach kaum. Ein wettbewerbsfähiges Auto, das sind aktuell der Toyota GT86, der Honda Civic oder der Opel, sind gebraucht für sehr kleines Geld zu kriegen. Die Teile für diese Autos kosten nicht die Welt. Das Nenngeld ist günstig. Und mit 200 PS ist man so schnell wie vor zehn Jahren die mittleren Klassen.“ Und der Spaß kommt auch bei weitem nicht zu kurz. „Wir haben durchaus viele Überholerlebnisse. Es gibt ja viele Fahrer in den Klassen V2, V3, V4 oder V5, die noch nicht so gut ausgebildet sind und die wir in den kurvigen Passagen überholen. Auf der Döttinger Höhe ziehen dann die stärkeren wieder an uns vorbei. Und in den nächsten Runden wiederholt sich das Spiel. Und wenn es dann mal richtig regnet, dann wird es erst richtig spannend.“

Die Dauerbrenner: #511 Frank Kuhlmann und Mark Giesbrecht, Honda Civic, Baujahr 2007, Type R 96, Klasse 2/5, Gesamt: 96

Für Frank Kuhlmann ist die Sache klar: „Das Fahren ist ja nur die Nebensache, das Schrauben ist die Hauptsache. Für uns ist das auch ein bisschen Ausgleich vom harten Alltag. Da ist man entspannt.“ Zusammen mit Partner Mark Giesbrecht sind sie regelrechte Veteranen auf der Nordschleife. Kuhlmann ist seit 1993 auf der legendären Rennstrecke unterwegs. In der VLN starten die beiden seit 1998. Sie feiern sozusagen in diesem Jahr ihre Porzellan-Hochzeit. Schon mit zehn Jahren entdeckte Kuhlmann seine Leidenschaft für den Rennsport im Kart und im Trial. Seit 2011 haben sie in der V3 ihre sportliche Heimat gefunden. „In dieser Klasse ist es ein günstiger Sport. Das ist jetzt unser dritter Honda. In der Regel ersteigern wir die Autos bei Ebay. Wir stecken da immer viel Arbeit rein. Das ist ja das Schöne daran, dass man sich auch im Winter mit dem Auto beschäftigen kann“, so Kuhlmann.

Zwischen Spaß am Rennen fahren und der Anzahl der PS gibt es für ihn keinen kausalen Zusammenhang. „Ich hatte damals am meisten Spaß mit meinem 75 PS Straßen-Golf auf der Nordschleife bei den Touristen-Fahrten. Der quietschte am meisten und man konnte schon mal einen Porsche überholen. Das macht mit einem kleinen Auto genauso viel Spaß wie mit einem großen.“ Und man kann in der VLN dennoch auch eine gute Platzierung in der Gesamtwertung erreichen. Im Jahr 2014 waren Kuhlmann / Giesbrecht sogar einmal Elfte in der Meisterschaft. „Theoretisch kann man also schon weit nach vorne kommen. Im Moment ist die Klasse leider ein bisschen dünn besetzt“, sagt Kuhlmann, der die VLN als ideales Format sieht, um Motorsport zu betreiben. „Da es eine Tagesveranstaltung ist, hat man dann auch noch was vom Rest des Wochenendes. Das gefällt mir. Es liegt in Anführungsstrichen vor der Haustür. Wir müssen nicht weit reisen. Die Nordschleife ist abwechslungsreicher als die Grand-Prix-Strecke. Ich finde sie auch nicht mehr anstrengend. Ich fahre sie eigentlich im Schlaf. Hochgerechnet bin ich mittlerweile bei 50.000 Kilometer.“

Dennoch gibt es bei dem alteingessenen Duo keine Spur von Eintönigkeit oder Fadheit. Die Faszination der Nordschleife ist nach wie vor allgegenwärtig. „Es wird nie langweilig. Das Wetter ist immer anders. Es gibt andere Gegner“, so Kuhlmann, der sich an ein besonders kurioses Erlebnis bei einem 24h-Rennen auf dem Nürburgring erinnert. „Da bin ich mal eineinhalb Stunden im Nebel gefahren, das war meine schlimmste Erfahrung. Da habe ich nur noch die Kurven gezählt und bin an der weißen Linie lang gefahren. Genau danach wurde abgebrochen.“

Die One-Man-Show: #523, Dario Corsini, Opel Astra G OPC, Baujahr 2000, Klasse 3/5, Gesamt: 110 

Hopp Schwiiz! Ein 37 Jahre alter Eidgenosse bereichert seit letztem Jahr das Teilnehmerfeld der VLN. Dario Corsini stammt aus Döttingen in der Schweiz – nicht zu verwechseln mit dem Döttingen am Nürburgring – und nachdem er 2016 bereits drei Starts absolvierte, fährt er dieses Jahr sogar noch öfter mit. Bei VLN 7 ist er schon das vierte Mal mit dabei. „Der Nürburgring ist einmalig. Egal, woher man kommt. Man muss und will eigentlich nur in die Eifel. Und die VLN ist die schönste Rennserie, die dort ausgetragen wird“, so Corsini zu seinen Beweggründen. Angefangen hat er 2012 in der GLP. Nach zwei Jahren ging es weiter in die RCN. 2016 erfuhr er sich die Permit A, damit er am 24h-Rennen teilnehmen konnte. Letztlich blieb er bei der VLN hängen. Und das aus gutem Grund. „Sie sagt mir am meisten zu. Ich finde, die Mischung der verschiedenen Klassen, auch der sehr schnellen Autos, klasse. Das macht mir sehr viel Spaß. Ich mag auch das Format, also Rennen fahren über einen mehrstündigen Zeitraum. Es ist einfach der Reiz des Rennens fahren, den man in der RCN nicht hat. Das ist die große Faszination. Und natürlich auch mit den GT3 zu fahren beziehungsweise mitzufahren, das ist was Besonderes, wo kann man das sonst“, fragt Corsini zurecht, der sich seinen Opel Astra G OPC im Touri-Forum kaufte. Corsini macht alles alleine. Die One-Man-Show aus der Schweiz will es aber auch gar nicht anders. „Das hat sicher Vor- und Nachteile. Man muss sich auf keine andere Person einstellen. Man kann das Auto komplett für sich einrichten, ohne Fahrerwechsel. Das ist für mich stressfreier. Zwei Stunden wären mir zu wenig. Ich fahre gerne etwas länger, damit ich am Abend richtig müde bin. Schlecht ist es, wenn man mal auf die Toilette muss. Das Problem hatte ich jedes Mal. Trotzdem gefällt mir diese Variante einfach besser. Ich kann zwar nicht vorne mitmischen, aber ich kann alleine fahren. Mich macht das glücklicher“, begründet Corsini seinen Alleingang, der bei seinen bisherigen sechs Starts in der VLN nie unter die Top 100 kam.

Aber, das ist auch gar nicht sein Anspruch. Beim 40. RCM DMV Grenzlandrennen ließ er ein baugleiches Auto seiner Klasse hinter sich. „Da bin ich auch richtig stolz drauf. Das große Ziel war es, den anderen Astra zu schlagen, das habe ich geschafft. Mit meinem Auto ist das gar nicht mehr möglich, auch in der V3 vorne mitzufahren. Ich mache das just for fun. Wenn jemand das gleiche Auto fährt, will ich natürlich schon schneller sein. Das ist dann ein Hammergefühl.“ Corsini ist infiziert mit dem Virus Nordschleife. Das hört man seiner Stimme in jedem Moment an, wenn er von seinen Erlebnissen berichtet. Sein letzter Satz im Gespräch überrascht deshalb keineswegs. „Das Ziel ist es, nächstes Jahr alle Läufe zu fahren.“

Die Spätzünder: #515 Christian Meurer und Ulrich Schmidt, Opel Astra G OPC, Baujahr 2000, Klasse 4/5, Gesamt 115 

Thorsten Willems ist ein alter Hase im Motorsportgeschäft. Schon 1994 war er mit einem Suzuki Swift in der VLN unterwegs. Von 1998 bis 2003 startete er mit WS Racing regelmäßig in der Langstreckenmeisterschaft. 2014 folgte ein Comeback mit Opel. „Seitdem hat es sich sehr gut entwickelt. Wir haben damals ein VT2-Auto gehabt und sind phasenweise mit vier, fünf Autos unterwegs. Nicht nur in der VLN, auch in der RCN und P9/SCC Challenge Endurance“, sagt der Teamchef, der beim 40. RCM DMV Grenzlandrennen „eine alte Lady“ an den Start brachte. 72 Rennveranstaltungen hat der Opel Astra G OPC bereits im Wagenpass stehen. „Wir hatten mit dem Auto noch keinen technischen Ausfall in den letzten Jahren, nur zweimal einen Einschlag nach Fahrfehlern. Wenn man mit den Curbs aufpasst, ist das Auto ein Dauerläufer. Nachtanken, Öl wechseln, Zahnriemen wechseln, ansonsten haben wir mit dem Auto gar keine Probleme“, schwärmt Willems von der betagten Dame.

Da passte es gut ins Bild, dass sich mit Christian Meurer und Ulrich Schmidt auch zwei Fahrer um die Fünfzig ins Cockpit setzten. „Sie sind Spätzünder. Sie haben generell spät mit dem Motorsport angefangen, aber sie haben Spaß an der Sache“, so Willems und fügt hinzu: „Wir wollen mit dem Auto Nachwuchsfahrern die Möglichkeit geben, preisgünstig zu fahren. Die beiden Fahrer wollen die Ergebnisse für die Permit A einfahren, damit sie nächstes Jahr am 24h-Rennen teilnehmen können. Mit Coachings und Trackdays haben sie sich weitergebildet, um in der VLN bestehen zu können. Es hat gepasst. Es gab keine gravierenden Zwischenfälle und Patzer. Sie haben sich aus allem rausgehalten und sind durchgerollt. Das war auch die Devise. Sie sollten lernen, das haben sie gut gemacht. Bei der Zeit müssen sie sich noch etwas entwickeln. VLN ist etwas anderes als RCN. Da mussten sie ein bisschen Lehrgeld bezahlen. Mit dem Traffic klarkommen, mit den schnellen Autos der GT3, dem Verkehr von hinten, das gibt es halt in der RCN in der Form nicht. Da müssen sie sich jetzt ein bisschen einfinden.“

Willems war durchaus angetan, wie wacker sich die beiden Debütanten schlugen. „Der Fahrer, bei dem ich gedacht habe, dass er etwas die Hose voll hat, der sagte hinterher zu mir: Mensch, das ist ja viel geiler hier, als in der RCN. Wäre ich doch schon früher in der VLN gefahren. Da war ich selber überrascht.“ Dass die beiden bei ihrer VLN-Premiere insgesamt Drittletzte wurden und in ihrer Klasse Vorletzter, das ist kein Grund, um Trübsal zu blasen. Das war auch nicht anders erwartet worden. „Wir wissen, dass wir in der V3 mit dem Auto nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Gegen einen GT86 oder einen Honda Civic haben wir von der Leistung her halt keine Chance. Man spekuliert darauf, dass einer ausfällt, damit man über die 75 Prozent Regel in die Permit mit reinrutscht, aber primär ging es darum Erfahrung zu sammeln.“ Für VLN8 ist schon der nächste Anlauf geplant. Die „alte Lady“ will es trotz ihres Rentenalters nochmal wissen…

Die Neueinsteiger: #517 Insa Jaeschke und Florian Raß, Honda Civic Type-R, Baujahr 2009, ausgefallen

Es ist sozusagen eine Neuauflage. Bereits vor über zehn Jahren startete eine Handvoll Mitarbeiter in einem Honda bei der VLN. Insa Jaeschke hat dies mit ihrem Kollegen Florian Raß nun wiederaufleben lassen. Jaeschke arbeitet als Testingenieur für Assistenzsysteme und -funktionen bei dem japanischen Konzern, Raß ist im Fahrwerksbereich tätig. „Wir werden ein bisschen von Honda unterstützt, was das Material für das Fahrzeug betrifft. Den Rest machen wir alles privat“, sagt Jaeschke, die ursprünglich aus dem Motorradsport kommt.

Bei VLN6 gab es die Premiere für das Team, das mit dem Honda Civic Type-R bis dato nur in der RCN unterwegs war. Jaeschke konnte 2016 an der RCN nicht teilnehmen, weil sie sich beim Fahrradfahren das Schlüsselbein gebrochen hatte. Nun will sie mit Raß und einem weiteren Kollegen durchstarten. „Nächstes Jahr wollen wir uns permanent in der VLN einschreiben“, so Jaeschke, die durchaus mutig an die Sache rangeht. „Mein Anspruch, wenn ich irgendwo an den Start gehe, ist gewinnen. Wenn ich leistungsmäßig nicht gewinnen kann, dann will ich wenigstens in meiner Gruppe gewinnen, sonst brauche ich gar nicht erst mitmachen.“ Das klappte im ersten Anlauf noch nicht so ganz. Eineinhalb Stunden vor dem Ende lag das Duo noch auf Platz drei. Was dann passierte, schildert Jaeschke folgendermaßen. „Florian ist in Breitscheid rausgerutscht. Vorne war das Rad rausgerissen und die Achsaufhängung kaputt. Der Kollege war ein bisschen optimistisch. Er war einfach zu schnell. Das gehört aber im Rennsport dazu. Wir tasten uns ja erst langsam da ran. So ein Ausrutscher kann mal passieren.“

Trotz des Ausfalls waren beide begeistert von ihrer VLN-Premiere. „Ich fand es super. Die Atmosphäre mit den großen Autos hat mir sehr gefallen. Ich habe mehr in den Rückspiegel geguckt als nach vorne. Aber die großen Autos sind ja auch schnell an uns vorbeigefahren. Das war unproblematisch.“ Für das Jahr 2019 weiß Jaeschke bereits genau was sie will: „Unser großes Ziel ist eine Teilnahme am 24h-Rennen. Aber, da haben wir noch einen langen Weg vor uns. Sowohl, was das fahrerische, als auch die Logistik und die Teamstruktur angeht.“ Manchmal gehen Träume ja auch in Erfüllung…