Das Auto stand lichterloh in Flammen. Die Feuerwehr war unterwegs, aber noch einige Kilometer entfernt. Da schoss ein schwarzer Pick Up heran, stoppte in einem Sicherheitsabstand zum brennenden Wagen. Zwei Männer in Sicherheitskleidung sprangen heraus, öffneten die riesige Abdeckplatte über dem Laderaum. Einer ergriff ein an einem Schlauch befestigtes Strahlrohr, der andere betätigte Hebel und Schalter im „Maschinenraum“. Kurze Verständigung, der Mann am Strahlrohr öffnete das Ventil und hielt auf die Flammen. Die verschwanden in einem Nebel aus Milliarden feinster Wassertröpfchen, weißer Rauch, Wasserdampf, stieg auf und dunkler Qualm. Das Feuer war aus. Erstickt, weil ihm der sauerstoffgierige Wassernebel die Nahrung entzogen hatte. Am Rande des Geschehens stand, zusammen mit Testfahrern der Industrie und Sicherheitsexperten aus dem Motorsport, Heinz Domagalla. Er schaute auf eine Stoppuhr in seiner Rechten und nickte zufrieden. „Gut gemacht“, sagte er, während sich bei den Umstehenden die Hände zum Beifall regten. Nur 7 Sekunden hatte es gedauert, bis das Feuer gelöscht war.
Die geschilderte Szene spielte sich Anfang Mai des vergangenen Jahres auf einem Parkplatz am Nürburgring ab. Es war eine Übung, die Premiere eines neuen, zusätzlichen Rettungsfahrzeugs für den Einsatz im Motorsport und bei Testfahrten. „E-Unit“ – Emergency Unit (Rettungs-Einheit) – nennt Heinz Domagalla das nach seinen Vorstellungen gebaute Fahrzeug, das ein ganzes Paket von Kriterien vereinigt, die für Rettung und Unfallverhütung im Motorsport entscheidend sind.
Ein solches Fahrzeug denkt sich keiner aus, der keine Beziehung zum Motorsport hat. Für Heinz Domagalla ist Motorsport eine feste Größe in seinem privaten und beruflichen Leben. Der gebürtige Bochumer fand früh den Weg zum MSC Ruhr-Blitz Bochum. Er war nicht nur „stilles“ Mitglied, sondern fuhr in den siebziger Jahren selbst Rennen und war auch als gestaltender Organisator aktiv. So als Sportleiter „seines“ MSC Ruhr-Blitz, der auch heute noch seine Vereinsfamilie ist, wenn er und seine Frau Mona auch schon lange in der Eifel wohnen, in Herresbach, nur ein paar Kilometer vom Nürburgring entfernt.
Domagalla war stets ein Fan der Nürburgring-Nordschleife. 1985 trat der MSC Ruhr-Blitz im ADAC der Veranstaltergemeinschaft Langstreckenpokal Nürburgring (VLN) bei. Das Ruhr-Pokal-Rennen der Dortmunder sollte in Zukunft zur Paradeveranstaltung der von der VLN organisierten Langstrecken-Rennserie auf dem Nürburgring werden. 1987 kam Heinz Domagalla als Renndienstchef zur Deutschen Veedol. Die wiederum war bis 2000 Hauptsponsor der VLN, 2001 trat an ihre Stelle der Reifenhersteller BFGoodrich. Domagalla war viele Jahre lang der „gute Geist im Fahrerlager“. Und er dachte nach. „Ich habe mir oft Gedanken gemacht, wie bei Unfällen, vor allem bei Bränden, schneller geholfen werden könnte“, erzählt er.
Im Herbst 2000 stand sein E-Unit-Konzept, und es ging an die Umsetzung. Domagalla holte sich Rat bei Rettungsdiensten und Berufsfeuerwehrleuten, seine Pläne orientierten sich an den Anforderungen, die die Nürburgring-Nordschleife stellt. Oft haben die Löschfahrzeuge der Feuerwehr einige Kilometer bis zum brennenden Rennfahrzeug, und sie sind schwer und langsam. Ein „schnelles Sicherheits- und Rettungs-Vorausfahrzeug“ sollte E-Unit sein. Domagalla: „Wir treten weder in Konkurrenz zur Arbeit der Sportwarte an der Strecke, noch besetzen wir Arbeitsbereiche, die von der DMSB-Staffel abgedeckt werden. Wir bieten einfach zusätzliche Sicherheit.“
Entsprechend konzipiert ist E-Unit. Das Trägerfahrzeug ist ein Chevrolet S10 Pick Up mit 4,3 Liter Hubraum, gewaltigem Drehmoment und 190 km/h Spitze. Domagalla: „Der macht nicht schlapp, wenn es vom Karussell hoch zur Hohen Acht geht.“ 230 Liter Wasser fasst der auf der Ladefläche montierte Tank. Die Löschanlage arbeitet nach dem Hochdruck-Wassernebel-Prinzip. Der feine Wassernebel bindet den in der Luft befindlichen Sauerstoff und raubt so dem Feuer in Sekundenschnelle den Atem. Die Wassermenge reicht für Löschzeiten bis zu acht Minuten.
Aber E-Unit kann nicht nur löschen, es hat auch eine Winde, die mit vier Tonnen Zugkraft auch schwere Bergungsarbeiten ausführen kann. Ein Kombigerät mit Schere und Spreizer kommt zum Einsatz, wenn eingeklemmte Personen befreit werden müssen. 800 bar Druck wird aufgebaut, dem hält keine Karosseriesäule stand.
Öl auf der Strecke ist nicht nur für die Fahrer höchst gefährlich. Auch die Sportwarte, die das Öl beseitigen, sind gefährdet. E-Unit produziert auch hier Sicherheit. Ein Streugerät bringt Ölbindemittel auf die gefährliche Spur auf. Die Streubreite ist variabel und reicht bis zwei Meter. Gesteuert wird das System vom Fahrgastraum aus.
E-Unit ist mit zwei exzellent ausgebildeten Personen besetzt. Sie haben eine Feuerwehrschule besucht und sind für ihre Arbeit an der Rennstrecke noch einmal besonders geschult worden. Domagalla: „Das sind in ihrem Bereich echte Profis.“
Als Heinz Domagalla seinerzeit sein E-Unit präsentierte fand er sofort einen Kunden: die VLN. Deren Geschäftsführer Karl-Heinz Gürthler: „Wir veranstalten jährlich zehn Rennen auf der Nordschleife. Sicherheit ist für uns höchstes Gebot. E-Unit ist ein zusätzliches System, an dem man nicht vorbeikommt, wenn man unseren Sport noch sicherer machen will.“
Den nächsten Einsatz hat E-Unit am Samstag, 24. August, beim 6-Stunden-ADAC-Ruhr-Pokal-Rennen auf dem Nürburgring. Veranstalter ist der MSC Ruhr-Blitz Bochum, der Heimatclub des E-Unit-Erfinders Heinz Domagalla.